Herrenberg. Selbst für Handballer, die in ihrem Sport schon viel erlebt haben, bot die zweite Qualifikationsrunde auf Verbandsebene ein Kuriosum der besonderen Art. Umso bemerkenswerter, dass sich die männliche A-Jugend der SG H2Ku Herrenberg auch von dieser völlig unerwarteten Konstellation nicht aus dem Konzept bringen ließ – und letztlich souverän den Sprung in die Württemberg-Oberliga schaffte. „Die Mannschaft hat eine ganz starke Leistung geboten“, sagte Cheftrainer Markus Guse, „mit diesem tollen Erfolg haben wir die Erwartungen weit übertroffen.“ Ein bisschen sogar die eigenen.

Im März hatten Markus Guse, Oliver Seemann und Jochen Klingovsky – allesamt Ex-Handballer mit Erfahrung in höheren Spielklassen – gemeinsam mit SG-Torhüter Nicolas Rhotert die Verantwortung für die neu gebildete A-Jugend übernommen. Wozu ihr Team in der Lage sein würde, wusste keiner von ihnen. Nur drei Spieler gehören dem älteren Jahrgang an, die B-Jugend, aus der ein Gros des Kaders stammt, spielte in der vergangenen Saison in der Bezirksliga, einen eigenen Torwart gibt es nicht, weshalb auf dieser Position stets Anleihen bei der B-Jugend genommen werden müssen. „Die personellen Voraussetzungen waren alles andere als ideal“, erklärte Oliver Seemann, „doch die Jungs ziehen im Training voller Engagement mit. Wir haben bisher sehr gut gearbeitet.“

Die Abwehr wurde auf die offensive 3:2:1-Variante umgestellt, die Last im Angriff auf möglichst viele Schultern verteilt. In der ersten Qualifikationsrunde Ende April funktionierte das System noch nicht ganz so gut wie erhofft, mit ein bisschen Glück kam das SG-Team trotzdem weiter – und zeigte dann in der zweiten Runde in der heimischen Markweghalle, zu was es schon fähig ist. „Die positive Entwicklung der vergangenen Wochen war diesmal auch auf dem Feld deutlich zu sehen“, sagte Markus Guse, „die Jungs können stolz auf sich sein.“

In der Dreier-Gruppe war Platz zwei nötig, um sich für die Württemberg-Oberliga zu qualifizieren. Im ersten Duell traf die SG auf das Handball-Team Staufen. Die Abwehr stand von Beginn an sicher, Einstellung und Einsatz stimmten, im Tor parierte Felix Peter etliche Bälle. Und auch in der Offensive präsentierte sich die SG als Einheit, warf eine 15:10-Führung heraus. Die Gäste verkürzten zwar auf 15:13, doch die Herrenberger behielten die Nerven und feierten am Ende der 30 Minuten einen überraschend hohen 20:15-Erfolg. Die Trainer waren zufrieden: „Wir haben das Spiel dominiert. Damit war nicht zu rechnen.“ Mit dem, was danach passierte, auch nicht.

Das Team aus Bregenz galt als klarer Favorit der Dreier-Gruppe. Zwei Siege der Österreicher, die schon lange aktiver Gast im Handball-Verband Württemberg (HVW) sind, wurden erwartet, was Rang zwei für die SG bedeutet hätte. Allerdings stand die Mannschaft aus Bregenz zu lange im Stau, war zum ersten Spiel nicht anwesend. Die Partie wurde folglich für das HT Staufen gewertet – und plötzlich drohte die SG durch eine hohe Niederlage gegen Bregenz doch noch auf Rang drei zurückzufallen. Was tun? Eine Möglichkeit wäre gewesen, nicht gegen die Österreicher anzutreten und somit das Weiterkommen abzusichern. Es wäre allerdings der unsportliche Weg gewesen, der letztlich auch verworfen wurde: die SG entschied sich zu spielen. Im Vertrauen darauf, dass der HVW im unglücklichsten Fall eine faire Lösung gefunden hätte. Aber auch im Vertrauen auf die eigene Stärke. Und dann lief es sogar noch viel besser als gedacht.

Das individuell klar besser besetzte Team aus Bregenz schöpfte sein Können nicht ganz aus, die mehr als vier Stunden lange Anfahrt war doch nicht so einfach wegzustecken. Und die SG-Spieler wuchsen über sich hinaus. Letztlich feierte der Gastgeber nicht nur einen 14:8-Erfolg und den Gruppensieg, sondern auch die souveräne Qualifikation für die Württemberg-Oberliga. „Was wir dort erreichen können, ist völlig offen“, meinten die sichtlich zufriedenen Markus Guse und Oliver Seemann, „jetzt freuen wir uns erst einmal darüber, dass wir dabei sind. Und dann werden wir versuchen, die Spieler auch den Sommer über individuell und als Team weiterzuentwickeln. Wenn wir ähnliche Fortschritte wie in den ersten zwei Monaten machen, muss uns auch vor der Herausforderung Württemberg-Oberliga nicht bange sein.“ Was durchaus so interpretiert werden könnte, als seien positive Überraschungen auch in Zukunft nicht ausgeschlossen.

SG H2Ku Herrenberg: Felix Peter, Fynn Stahl (Tor), Marvin Renken (2), Ben Lifka (1), Luka Lasovic (4), Simeon Löffler (1), Yanick Bross (6), Jannik Röhm, Lukas Gregor, Lennart Lohrer (7/2), Florian Schauperl (2), Finn Seemann, (4), Mats Guse (5/1), Philipp Mester (2).