„Diese Atmosphäre werde ich nie vergessen“

Axel Kromer führte die Handballer der SG H2Ku Herrenberg als Trainer in die zweite Liga – an diesem Sonntag kehrt er als Geschäftsführer des Zweitligisten HBW Balingen-Weilstetten in die Haslacher Halle zurück.

Herr Kromer, Sie sind nicht mehr oft in Herrenberg – aber dafür an diesem Wochenende umso intensiver.

(lacht) Richtig. Peter Schwenk, der damals Sportlicher Leiter war, hat ein Treffen des früheren Zweitliga-Teams der SG organisiert. Am Freitag gab es einen Grillabend, an diesem Samstag steht das Stadtfest auf dem Programm. Schon im Vorfeld war die Freude groß – die Teilnehmer hatten teilweise sehr gute Ideen, wie das alles enden kann.

Und am Sonntag steigt dann ab 17 Uhr in der Haslacher Halle das Jubiläumsspiel der SG-Männer gegen den Zweitligisten HBW Balingen-Weilstetten, bei dem Sie Geschäftsführer sind.

Auch darauf freue mich – ich werde viele altbekannte Gesichter wiedersehen.

Sie waren sieben Jahre lang Sportvorstand beim Deutschen Handball-Bund, seit Februar 2025 sind sie in Balingen für den HBW verantwortlich. Wie haben Sie sich eingelebt?

Gut, aber das hatte ich auch nicht anders erwartet. Das ist meine Region, ich wohne nur 15 Minuten oder zwei Ampeln entfernt von meinem Büro und der Halle in Balingen. Und die Handballer, die aus dieser Gegend kommen, ticken ohnehin alle gleich. Die Rahmenbedingungen, die ich vorgefunden habe, konnten mich auch nicht groß überraschen: Die Aufgaben und Visionen, die ambitionierte Vereine aus dem ländlichen Raum haben, sind überall sehr schwierig umzusetzen. 

Was ist so schwierig?

Die allgemeine Wirtschaftslage. Und trotzdem fordern Spieler und Beraten immer höhere Summen, weshalb die Etats der Vereine in der ersten und zweiten Liga zuletzt immens gestiegen sind. Unser Problem dabei ist, dass wir nicht in der Region Stuttgart zu Hause sind, sondern im Zollern-Alb-Kreis, wo viele Firmen schon Partner von uns sind. 

Welche Ziele hat der HBW Balingen-Weilstetten?

In unserem Umfeld gibt es durchaus Leute, die sagen, in der zweiten Liga viele Siege zu feiern, sei doch etwas Tolles. 

Sie sehen es anders?

Wir haben viele starke Spieler für uns begeistert – und das nicht mit Geld, sondern mit unseren in der Bundesliga erprobten Strukturen und unserer Einstellung: Wir betreiben Profisport und wollen den maximalen Erfolg. Allerdings wissen wir, dass die Konkurrenz in der zweiten Liga enorm stark ist. Das Rennen um den Aufstieg wird extrem eng, viele Mannschaften streben nach oben. Da gehören wir dazu. 

Im April stand Ihr Team im Final-4-Turnier um den DHB-Pokal, belegte am Ende nach einem Sieg gegen die Rhein-Neckar Löwen Platz drei. Wie viel Auftrieb hat dieses Erlebnis gegeben?

Es war ein super erfolgreiches Wochenende für uns, nicht nur sportlich, sondern auch für unser Image. Wir haben unglaublich viel Feedback aus ganz Sport-Deutschland erhalten – was unsere Mannschaft und unsere Fans in Köln gezeigt haben, war einfach nur traumhaft. Es gab aber auch den einen oder anderen Aspekt, der ein bisschen weh getan hat.

Welche?

Im Vorfeld des Final-4-Turniers lag der Fokus unserer Spieler nicht immer voll auf der zweiten Liga. Das ist einerseits absolut verständlich gewesen, andererseits haben wir vor allem auswärts nicht immer unser volles Potenzial abgerufen. Eventuell haben wir in dieser Phase sogar den Aufstieg verspielt.

Was hätte außerdem noch besser laufen können?

Was die Suche nach neuen Sponsoren angeht, hat nicht einmal unser Pokal-Erfolg viel bewirkt. 

Trotzdem haben Sie einen sehr interessanten Kader für die nächste Saison zusammengestellt. 

Das stimmt. Wir haben nicht nur Top-Leute wie Elias Huber oder Sascha Pfattheicher, den zweitbesten Torschützen der zweiten Liga, halten können, sondern auch viele unserer Wunschspieler für uns gewonnen. Sie sollen nun gemeinsam für eine große Fan- und Sponsoren-Bindung ans Team sorgen. Im Verein ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln, ist uns allen sehr wichtig. 

Sie sind in Balingen voll eingespannt. Haben Sie trotzdem noch Zeit, um das Geschehen in der SG, die Sie einst als Trainer in die zweite Liga geführt haben, zu verfolgen?

Hin und wieder schon. Dann schaue ich mir die Posts in den sozialen Medien an und lese Artikel. Dabei kommen immer mal wieder Erinnerungen daran hoch, was in der Markweghalle schon alles los war.

Sie sind daran nicht ganz unbeteiligt gewesen.

Stimmt (lacht). Ich bin damals als Trainer immer vor meinen Jungs in der Halle gewesen, um noch die eine oder andere ruhige Minute zu haben. Als es im letzten Heimspiel der Saison 2009/2010 gegen den TSV Deizisau um den Aufstieg in die zweite Liga ging, standen, als ich kam, die Fans schon auf der gegenüberliegenden Seite an der Wand. Das war der pure Wahnsinn!

1450 Zuschauer schrien die Mannschaft zum entscheidenden Sieg.

Ich habe im Handball schon manches Highlight erleben dürfen, zum Beispiel als Co-Trainer der Nationalmannschaft den Gewinn des EM-Titels 2016 und ein paar Monate später Olympia-Bronze in Rio de Janeiro.  Aber diese Atmosphäre beim Spiel gegen den TSV Deizisau werde ich nie vergessen, wie auch den einen oder anderen Coup in unserer Zweitliga-Saison.  

Sie wurden bei der SG zum Erfolgstrainer. 

Die Zeit bei der SG hat mich stark geprägt und mir persönlich in der Außenwahrnehmung auch sehr geholfen. Denn in Herrenberg konnte ich beweisen, dass ich in der Praxis beherrsche, was ich als Landestrainer in der Trainerausbildung ständig erzählt habe.

Was ist sonst noch hängengeblieben?

Das Gefühl, tolle Menschen kennengelernt zu haben – dazu gehörten auch die enorm vielen Helfer im Umfeld, die unseren Erfolg erst ermöglicht haben. Und Hausmeister, die völlig untypischerweise zuerst an die Bedürfnisse der Sportler gedacht hat.

Es gab doch aber bestimmt auch schwierige Momente.

Ich bin damals oft um 4 Uhr morgens aufgestanden, habe neben meinem Job als Landestrainer die volle Leidenschaft in das Projekt Klassenverbleib gelegt und alles dafür gegeben, dass wir trotz der Einführung der eingleisigen zweiten Liga drinbleiben, was ja fast sogar geklappt hätte. Da war es schon ein Nackenschlag, als mir damals angedeutet wurde, dass die SG womöglich freiwillig verzichten würde, weil der Aufwand nicht zu stemmen sei. 

Hat seinerzeit der Mut gefehlt, den entscheidenden Schritt in Richtung Professionalisierung zu gehen?

Das kann ich nicht beurteilen, ich habe mich allein auf meine Aufgabe fokussiert. Allgemein lässt sich sagen, dass in der SG immer die Maxime galt, ein gesunder zu Verein sein und bleiben zu wollen. Allerdings wurde damit bewusst in Kauf genommen, dass es nach dem Abstieg aus der zweiten Liga sportlich weiter bergab gehen kann.

Das muss jemanden wie Sie, der den Leistungsgedanken lebt, doch schmerzen. 

So zu denken, wie es die SG tut, ist absolut legitim. Es hätte damals sicher die Option gegeben, sich weiter zu professionalisieren. Aber die Entscheidung fiel anders aus, und das ist auch völlig okay gewesen. Nicht jeder Verein muss per se den Anspruch erheben, irgendwann ganz oben in einer neuen Arena vor 12 000 Leuten zu spielen. 

In Haslach werden es am Sonntag vermutlich rund 250 Fans sein. Was dürfen Sie vom Spiel der SG gegen den HBW erwarten?

Ein bisschen muss ich bremsen, denn bei uns hat erst diese Woche die Vorbereitung begonnen. Die neue Mannschaft wird am Sonntag erstmals gemeinsam zusammen Handball spielen, dazu haben wir einige angeschlagene Akteure. Andererseits wird die Lust auf Handball bei allen sehr groß sein.

Was bedeutet das?

Ein paar sehr schöne Tore und Tricks wird es ganz sicher zu sehen geben.